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Über den Geist der Arbeitsblätter...



"Prolem sine matre creatam". Das schrieb Montesquieu nicht ganz unbescheiden als Vorwort zu seinem Werk "De l'esprit des lois". Nun, von meinen "Kindern", den Arbeitsblättern, kann ich nicht behaupten, dass sie aus dem Nichts entstanden sind.

Immer wieder habe ich nach links und nach rechts geschielt, was die Kolleginnen und Kollegen so machen, hab mich durch Hunderte von Schulbüchern geackert - da gibts einige sehr gute, aber leider haufenweise unbrauchbare - , hab ab und zu nach oben geblickt, von wo entweder in kaltschnäuzigem Jurstereideutsch gehaltene Verordnungen oder dann vollmundige wissenschaftsbrabbelnde Strategiepapiere zur chronische gewordenen Reformitis herunterschneiten, dann hab ich auch nach unten geguckt zu den Schülerinnen und Schülern (ja, solch ein fossiler Lehrmittelautor bin ich, der sich an keinem Ismus, sondern an seiner Kundschaft orientiert) und - welch Wunder! - von da, sozusagen von den Linoleumetagen, kam das brauchbare Feedback.

Was habe ich diesbezüglich auch gelernt? Das: Versuche nie, etwas aus dem Lehrplan, dem umfangreichsten Order deines Büchergestells, entnehmen zu können: Lässt sich endlich etwas Brauchbares inmitten der vielen Worthülsen finden, sind es Binsenwahrheiten. Obs mit dem Lehrplan 21 besser wird? Ab 2014 werden wir dann den Brei der vielen Meisterköche auslöffeln dürfen. Doch bleiben wir zuversichtlich und sagen: Was lange währt (etwa seit 1968), wird endlich gut.

Es gibt Koryphäen des Lehrberufes, sie sind vorzüglicherweise auf Teppichetagen fern der real existierenden Schulstuben zu finden, für die sind Arbeitsblätter des Teufels. Andere Spezies unseres Metiers türmen am Anfang der Woche riesige Stapeln von Arbeitsblättern im Klassenzimmer auf, legen zwei oder drei Lochapparate dazu und sagen wohlmeinend: "Voilà, euer Wochenplan. Links die Grundanforderungen, Mitte Sekniveau und rechts für die erweiterten Anforderungen. Ihr könnt mir danken, dass ich so viel für euch gearbeitet habe" und schon verabschieden sie sich ("Ihr findet mich im Kopierräumchen"), um für die kommende Woche zu präpen. An jenen Montagmorgen um zehn Uhr pflegen sie dann beim Kaffee im Pausenzimmer zu klagen: "Die Woche will und will nicht herumgehen!"

Letzthin hatte mir mal eine Praktikantin aus Ihrem Material der PH den folgenden Text gezeigt (die Referenz ging leider verloren). Es ist ein Text, den ich am Anfang meiner Tätigkeit gern gelesen hätte. Anstatt dass ich Ihnen, liebe Kollegin, lieber Kollege, nun pharisäerhaft-schulinspektorartig predige, wie Sie unterrichten müssen (meine Arbeitsblätter können Ihnen ja entweder Tütensuppen oder aber blosse Ideeneingebung sein), möchte ich Ihnen jene "Theorie des Arbeitsblattes" nicht vorenthalten:

Vorteile des Einsatzes von Arbeitsblättern:
  • Arbeitsblätter ergänzen und vertiefen die Fachbücher
  • Sie lockern den Unterricht auf
  • Sie entlasten den Lehrer
  • Arbeitsblätter sind eine geeignete Methode zur Binnendifferenzierung und der Individualisierung des Lernens
  • Sie sind ein wichtiges Element zur Verklammerung verschiedener Unterrichtsphasen
  • Arbeitsblätter sind der sichtbare Ausdruck einer Schülerselbsttätigkeit
  • Sie sind oft wiederverwendbar.


Nachteil des Einsatzes von Arbeitsblättern:
  • Die Erstellung ist meist arbeitsaufwendig.
  • Arbeitsblätter unterliegen der Gefahr einer bloßen Schülerbeschäftigung und der 'Gängelung' in engen Bahnen.
  • Die erfolgreiche Bearbeitung eines Arbeitsblattes drückt nicht unbedingt den damit intendierten Lernerfolg aus. Schüler entwickeln sehr schnell Techniken und Strategien der nach außen erfolgreich wirkenden Bearbeitung von Arbeitsblättern. Die suggestive Kraft der Lücke, der Tabelle, der hervorgehobenen Stelle täuscht Verständnis vor.
  • Das Selberschreiben oder -zeichnen ist oft lernintensiver als die vorgefertigte Zeichnung mit Beschriftung.
  • Bei unterschiedlichem Arbeitstempo der Schüler kommt es zu Leerläufen und Phasenverschiebungen.
  • Das Arbeitsblatt trägt zur "Entpersonalisierung" und zur "Verdinglichung" des Unterrichts bei, weil der Lehrer sich phasenweise aus dem Unterricht moderierend zurückzieht. Das kann vorteilig und nachteilig sein. Das vernünftige Maß ist die entscheidende Größe.


Arten von Arbeitsblättern:
  • Das Informationsblatt: Es werden Informationen und Materialien präsentiert. Häufiger Einsatz bei der Hinführung.
  • Das Erarbeitungsblatt: Teile des Arbeitsblattes werden von den Schülern selbstständig bearbeitet. Häufiger Einsatz als Versuchsbegleitblatt.
  • Das Ergebnisblatt: Unterrichtsergebnisse werden strukturiert zusammengefasst. Häufiger Einsatz bei der Wiederholung.
  • Das Aufgabenblatt: Aufgabenstellungen und zugehörige Materialien werden zur Bearbeitung angeboten. Häufiger Einsatz zur Übung und Sicherung.


Funktionen des Arbeitsblattes:
Das Arbeitsblatt kann aus unterrichtsmethodischer und lernpsychologischer Sicht verschiedenste Funktionen wahrnehmen:
  • unterrichtssteuernde Funktion: Mit dem Aufbau und der Entwicklung des Arbeitsblattes kann der Unterricht phasiert und gesteuert werden.
  • diziplinierende Funktion: Die Tafelarbeit fokussiert die Blicke der Schüler und konzentriert das Unterrichtsgeschehen sichtbar auf eine Bühne und fördert die Aufmerksamkeit.
  • dokumentierende Funktion: Das Arbeitsblatt dokumentiert den Stundenverlauf und es dokumentiert den Unterricht zur Nacharbeit.
  • entlastende Funktion: Das Arbeitsblatt vermag den Lehrer und die Schüler von unnötigem An- und Mitschreiben entlasten.
  • lernsteigernde Funktion: Ein strukturiertes, gegliedertes und ansprechendes Arbeitsblatt erleichtert das Verstehen und erhöht die Behaltensleistungen, insbesondere dann, wenn es mit den anderen Medien gut zusammenarbeitet.


It's up to you, um es auf Neudeutsch zu sagen. Sie sind die Lehrerin oder der Lehrer. Sie haben die Fachkompetenz. Und Sie tragen schlussendlich die Verantwortung für die Bildung der Ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler. Sie müssen daran arbeiten, dass es der Jugend nicht ablöscht - weder während der Schulzeit noch später im Beruf oder im sonstigen Leben. Diese Verantwortung wird Ihnen trotz aller schönen Worte weder von Kolleginnen und Kollegen noch von Schulleitung, Schulkommission, Elternrat, Schulinspektor oder Erziehungsdirektion abgenommen.

Sie haben sicher bemerkt, dass wir ohne Werbung auskommen. Eine Rarität im Internet, oder?

Hier trotzdem ein Product Placement: Wenn Sie unsere CD-ROM (mit den Lösungen) erwerben, können Sie die Arbeitsblätter im Word-Format auf Ihrer Festplatte speichern. So haben Sie mit Paste and Copy und Ihrem Feu sacré die Arbeitsblätter blitzschnell den Bedürfnissen Ihrer Schülerinnen und Schülern angepasst. Sie können sozusagen die Tütensuppen nach Ihrem Gusto und mit Ihrer Kongenialität zu einer Création bocuse verfeinern.

Genießen Sie die Zubereitung. Und denken Sie daran, dass Sie trotz den morosen Unkenrufen, dem dissonanten Amtsschimmelgewieher, den tintenklecksenden Schreibtischtäterergüssen und dem zweckoptimistisch-wohlmeinenden Pfründentummlergeschwätz einen anspruchsvollen und sehr schönen Beruf haben. Nicht zuletzt um dessen Eckdaten zu verbessern habe ich Tausende von Arbeitsstunden an meinem Schreibtisch verbracht.

Dafür erheische ich nun keinen besondern Dank, bitte Sie bloß um Folgendes: Verwenden Sie die Arbeitsblätter nicht eigenbrötlerisch. Erinnern Sie sich mal an Ihre eigene Schulzeit zurück, wie Sie damals beim Quadratwurzel-Sepp, dem gefürchteten Mathelehrer, eine Sätzlirechnungsprobe schreiben, wie Sie Aufgabe 1 atypisch leicht fanden, gleich Verdacht auf Seppsche Falle schöpften und wie, als Sie beim schräg vorne sitzenden Flöru, jenem Flöru mit den abstehenden Ohren und den unanständig guten Mathenoten, einen optischen Sicherheitscheck vornehmen wollten, dieser unsympathische Streber natürlich wie immer seine mit Lineal doppelt unterstrichenen Resultate mit Hand, Arm und Löschblatt abgedeckt hielt. Und Sie mussten sich den Kopf darüber zerbrechen, ob die drei Männer bei Graben eines Loches etwa ihre Zeit mit Schwatzen vertrödelten oder ob der Brunnen mit den drei Röhren vielleicht leck war. Methapherdeutung: Wenn Sie MSV Deutsch eine gute Sache finden, sagen Sie das Ihren Kolleginnen und Kollegen weiter. Bitte!

Bitte! Denn wir machen selber kein Reputation Management. Sollten wir das? Denn es ist schon so: Hühner gackern bei Eierlegen, Gänse nicht. - Deshalb werden auf der Welt viel mehr Hühnereier gekauft als Gänseeier! Wenn Sie die Tausenden von Seiten der Lehrmittelkataloge durchlesen, werden Sie unsere CD-ROMS nirgends finden. So müssen Sie für uns gackern, während wir die Eier legen. Außer Ihrer Mund-zu-Mund-Werbung haben wir fast nur noch Google, wodurch wir bekannt werden. Als Gegenleistung stellen wir unser Angebot für Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler gratis ins Internet.

Biel-Bienne, Ende Juni 2010

Lorenz Derungs



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